Stiftung Jesus-Christus-Kirche 

Alte Malerei

Die Kirche in Meinerzhagen nimmt unter den etwa gleichaltrigen Kirchen des Märkischen Kreises eine besondere kunsthistorische Stellung ein. Während die anderen Kirchen Hallenkirchen des märkischen, des sauerländischen oder siegerländischen Typs sind, steht die Meinerzhagener Kirche unter rheinischem Einfluß, der vor allem direkt oder indirekt von Köln ausgeht. Für die Emporen über den Seitenschiffen gibt es rheinische Parallelen bzw. Vorbilder in St. Ursula und St.-Maria-Lyskirchen in Köln, ferner in Niederlahnstein, Morsbach und St. Quirinus in Neuß.

Besonders die Ev. Pfarrkirche in Hilden, eine dreischiffige gewölbte rheinische Emporen-basilika mit niedrigem Chorquadrat und halbrunder Apsis, kann als Parallelbauwerk zur Kirche von Meinerzhagen angesehen werden.

Emporenbasiliken, deren Ursprung oströmisch ist und die über Ravenna und die karolingische Architektur im Abendland Einzug hielten, gibt es in der Romanik, im 12. und 13. Jahrhundert, vor allem in der Normandie und im Rheinland. Der Emporenbau war entweder geleitet von ästhetischem Gestaltungswillen, d.h. technisch-konstruktive Erfordernisse an freier, hoher Wand sollten künstlerisch kaschiert werden, oder er war funktionellen Bedingtheiten unterworfen. In Pilgerkirchen wie in Meinerzhagen waren wohl zweckgebundene Erfordernisse ausschlaggebend: die große Zahl der Wallfahrer mußte Platz finden.

Da von dieser Kirche nur das Langhaus heute noch erhalten ist (und auch das nicht in voller Höhe), ist man für den Rest des ursprünglichen Bauwerkes auf Vermutungen angewiesen. Eine Rekonstruktion von de Vries schiebt zwischen Langhaus und Hauptapsis ein Chorhaus ein, wie es sich auch in den Kirchen von St.-Maria-Lyskirchen, Neuß und Hilden findet, und wie es sich ihrer Ansicht nach auch aus Grabungsfunden zu ergeben scheint.

Über den westlichen Abschluß des Langhauses und seine Verbindung zum Turm gibt es dagegen keine Anhaltspunkte. Auch die Frage, ob von Anfang an eine Westempore als Verbindung zwischen den Seitenemporen bestand, kann nicht beantwortet werden.

1474

Einer Stiftung von drei Kölner Junggesellen soll es zu verdanken sein, dass im Jahre 1474 ein größerer Umbau erfolgen konnte.

Man riß das Chorhaus mit den Apsiden ab und errichtete an deren Stelle das gotische Querschiff auf den vorhandenen Fundamenten, soweit möglich. Ob diese Erweiterungen aus Platzmangel oder aus einer gewissen modischen Baueuphorie entstanden, bleibt dahingestellt. Ein Chorjoch fiel jetzt fort, die Apsis schloß sich in einem flachen 3/8-Abschluß direkt an die neu entstandene Vierung an. Die Stirnseiten des Querhauses hatten spitze Giebelfronten; ein Dachreiter mit Meßglöcklein erhob sich über dem Schnittpunkt von Apsis und Querschiff. Der romanische Turm erhielt eine neue, mit dem Dachreiter korrespondierende gotische Spitzhaube.Die Kirche nach dem Umbau im Jahr 1474

Der Grundriß des Turms bildete ein Quadrat von rund 10 m Seitenlänge. Seine Höhe (ohne Turmhelm) betrug etwa 27 m. Das Mauerwerk war an der Basis rund 2 m stark und oben noch 0,75 m.

1474

Insgesamt gesehen kann man sagen, dass alle Merkmale gotischer Baukunst - Spitzbogen, Maßwerkfenster, Rippengewölbe, vielseitiger Chorschluß, Strebepfeiler - zwar verwendet wurden, aber in einer unerhört einfachen, kompakten und fast groben Weise. Ob, wie Michel meint, der Baumeister jeden Zierat vermied, um den Kontrast zwischen dem alten Langhaus und dem neuen Querschiff zu mindern, oder möglicherweise Unvermögen des Baumeisters dahintersteckt, wie de Vries eher anzunehmen scheint, oder ob die Stifter nicht genügend Geld hatten, wie Hartmann meint, die Antwort auf diese Fragen muß offen bleiben. Wenn man davon ausgeht, dass das Mittelschiff beim Bau mit einer flachen Decke versehen worden war (siehe jedoch weiter unten), so muß es jetzt eingewölbt worden sein. Die Sakristei ist nicht gleichzeitig mit den gotischen Anbauten entstanden, sondern wahrscheinlich erst im 16. Jahrhundert, wie de Vries aufgrund stilgeschichtlicher Einordnung vermutet. Im Innern erhielt die Kirche einen goti­schen Schnitzaltar, der am 15.05.1476 geweiht wurde. (Dies ist der einzige Altar, von dem wir etwas erfahren. Da die Kirche fünf Vikarien hatte, müssen auch fünf Altäre vorhanden gewesen sein, wie es Sohn in seiner Chronik auch berichtet. Alle anderen Altäre sind jedoch verschollen.) Dieser Altar soll nach Dresbach 1732 aus der Kirche, wahrscheinlich wegen Schadhaftigkeit, entfernt worden und 1853 nach Hohenbudberg bei Krefeld-Uerdingen verkauft worden sein. Möglicherweise wurde er aber auch erst 1846 entfernt und 1861, wie es in einer Krefelder Quelle heißt, verkauft. Nach gründlicher Restaurierung steht er heute in der kath. Pfarrkirche St. Matthias in Hohenbudberg. In demselben Jahr 1732 wurde auch der alte Taufstein aus der Kirche entfernt. 1909 fand man ihn auf dem Grunde eines Brunnens in der Schmiemicke und brachte ihn auf seinen alten Platz in der Kirche zurück. Klicken zum Vergrössern hier

1474

Als der 30jährige Krieg die Bevölkerung dezimiert hatte, wurde zumindest die Nordempore zugemauert. Bemerkungen in der Sohnschen Chronik und Spuren von Treppenstufen an der östlichen Nordwand, die 1936 gefunden wurden, deuten auf eine eventuelle zeitweise Nutzung als Wohnraum, vielleicht, wie de Vries meint, als Wohnraum fur die Vikare. Am 20.07.1797 wurde Meinerzhagen, damals ein Ort mit etwa 600 Einwohnern, von einem verheerenden Brand heimgesucht, dem 81 von 116 Häusern zum Opfer fielen. Auch das Dach der Kirche wurde ein Raub der Flammen; der Turm und das Gewölbe stürzten bald danach ein. Das Dach wurde mit Tannenbord nur mangelhaft abgedichtet, so dass Witterungseinflüsse die Schäden noch vergrößerten. Bei der Reparatur wurde der Kirchenraum durch eine flache Holzdecke mit dicker Lehmabdichtung nach oben abgeschlossen. Das Aufmauern der an den Oberkanten um ca. 1,50 m abgebröckelten Mauer wurde von der Kammer in Kleve nicht genehmigt. Die beiden Giebel des Querschiffes wurden nicht wieder aufgebaut. In die Längswände der Seitenschiffe wurden "plumpe" kreisrunde Fenster gebrochen (Michel; nach de Vries geschah dies erst 1846). Erst 1816, nach Abschluß der Freiheitskriege, kam es zum Wiederaufbau des Turmes, dessen Reste vorher gänzlich abgetragen werden mußten. Es war ein Turm geplant, der rund 52 m hoch werden sollte mit einem außerordentlich reich gegliederten Helm. Meinerzhagen hätte damit ein stattliches Wahrzeichen erhalten. Aber Geldmangel führte dazu, dass man sich mit einer schlichteren Lösung begnügen mußte.

Die Bevölkerung, deren Zahl nach dem großen Brand erheblich zurückgegangen war - auch die 1740 eingerichtete 2. Pfarrstelle wurde 1807 wieder aufgehoben - nahm im Laufe des 19. Jahrhunderts dann jedoch rapide zu. So wurde es notwendig, für das intensive kirchliche Leben mehr Raum zu schaffen. Mit den Umbauarbeiten des Jahres 1846 „war wohl der tiefste Punkt in der verfehlten Gestaltung des Innenraumes erreicht" (Michel). Eine neue Holzdecke mit klassizistischer Rundverzierung bedeckte Mittelschiff, Vierung und Apsis; eine monströse, bis zur Hälfte des Mittelschiffs reichende Westempore für die neue Orgel wurde eingesetzt. Die Emporen wurden wieder zugänglich gemacht und die Querschiffe mit höheren Zusatzemporen versehen. Der Baumeister legte die Zugänge zur Westempore wie auch zu den neu angelegten Emporen in die Seitenschiffe, die er nur als Durchgangsschiffe bezeichnete. Die Treppen zur Westempore führten durch das letzte Seitenschiffjoch, das aus diesem Grunde abgebrochen werden mußte. Oben auf der Triforiengalerie wurde das westliche Triforium zum Durchgang auf die Westempore als Türöffnung ausgebrochen. Die bisherigen Zugänge zur Westempore ( s.u.) wurden zugemauert und mit Bauschutt gefüllt. In diesem Bauschutt machte man 1968 einige wertvolle Funde, im ganzen über 70 Werkstücke, darunter sehr gut erhaltene 3/4-Kapitelle, Vorlagekapitelle, Basen, Rippenstücke, Säulenfragmente und andere Stücke mit vielfältigen Ornamenten. Einige dieser Spolien scheinen darauf hinzudeuten, dass das Hauptschiff möglicherweise doch schon bei seinem Bau eingewölbt wurde. Andererseits gibt es den Typus der ungewölbten Emporenbasilika mit vertikaler, schmuckvoller Jochteilung, die eine Wölbung beabsichtigt erscheinen läßt. Dieser Typus ist in der Normandie weit verbreitet. Die gefundenen Werkstücke könnten also auch von solchen Jochteilungen, die keine konstruktive Funktion hatten, stammen. Weiterhin wurde die Apsis durch eine dunkle Holzwand abgeschlossen, die Kanzel in diesen Lettner eingefügt. Der freie Blick in die Apsis war dadurch verhindert, der Altar lag im Dunklen. So konnte man den Zugang von der Kirche zur Sakristei im nördlichen Seitenschiff zumauern und die Apsis als neuen Sakristeiraum einrichten. Möglicherweise hat man erst bei dieser Gelegenheit den schadhaften Schnitzaltar von 1476 entfernt, da er jetzt sowieso nicht mehr zu sehen war. Das Innere der Kirche erhielt einen weißen Kalkanstrich.

Mit diesem Jahr beginnt die Reihe von Renovierungen, die die Schäden der Vergangenheit, soweit möglich, wieder gutzumachen versuchen. Zunächst wurde die flache Holzdecke entfernt, Apsis und Querschiff wurden wieder gewölbt und gewannen damit ihr früheres Aussehen in etwa zurück, während das Mittelschiff eine einfache Balkendecke erhielt. Die vermauerten Emporenöffnungen wurden geöffnet und wiederhergestellt. Die Holztreppen in den Seitenschiffen, die zur Westempore führten, wurden entfernt.

Als neue Treppenanlage wurden an den Turm nördliche und südliche Treppenhausanbauten angesetzt. Das Turmuntergeschoß räumte man frei, brachte den Fußboden auf gleiche Höhe mit dem Kirchenschiff und gestaltete es als Haupteingang. Zugleich versah man das Innere mit einem farbigen Anstrich, durch den die wichtigen Architekturteile hervorgehoben wurden. Die „störenden Einbauten" (Michel) entfernte man nicht.

Diese Mängel hat erst die Renovierung von 1936 behoben oder wenigstens gemildert. Die Westempore wurde tiefer gelegt und um die Hälfte verkürzt. Damit kamen die letzten Arkaden wieder voll zur Geltung. Die Nordempore (im Querschiff) wurde ebenfalls tiefer gelegt, die Südempore gänzlich beseitigt. Die dunkle Lettnerwand mit dem Kanzelaltar wurde entfernt. Die Kanzel bekam ihren Platz am südöstlichen Vierungspfeiler; die alte Sakristei wurde wieder in Dienst genommen. Zugleich versah man die Wände mit einem leicht getönten hellen Anstrich, der die Farbenglut der Chorfenster (von 1928) etwas milderte. Nach Michels Ansicht war das „keine vollkommene Lösung, aber das Mögliche unter Wahrung der gottesdienstlichen Notwendigkeiten".

Die Renovierung ergab sich aus der Notwendigkeit, für die neue Orgel, die dringend gebraucht wurde, einen geeigneten Platz zu finden, da man den Standort auf der Westempore aus technischen und gottesdienstlichen Gründen für ungeeignet hielt. Es wurde beschlossen, die Orgel in das nördliche Querschiff zu verlegen, was zunächst einmal den Abbruch der Nordempore bedeutete und die Frage nach der Gestaltung der Westempore aufwarf, wo die Orgel bis dahin stand. Die Restaurierung brachte im wesentlichen zunächst den Abbruch dieser zwei Emporen, die Wiederherstellung der romanischen Rundbögen der Fenster im nördlichen und südlichen Seitenschiff sowie die Erhaltung der verschiedenen Mauernischen im Bereich der östlichen Querschiffswände und der Apsis, die durch das Abklopfen des Putzes wieder zutage gekommen waren.

Neu gestaltet wurde der Vierungsbereich und die Apsis mit der Anordnung von Altartisch, Taufstein und Kanzel. Eine neue Westempore wurde eingebaut, weil man auf die dort zur Verfügung stehenden Plätze nicht verzichten wollte. Bei der Anordnung der Bankreihen im Mittelschiff wurde der gewohnte Mittelgang zugunsten eines Blockgestühls aufgegeben.

Als man die starken Mauerklötze neben dem Eingang aufbrach, machte man die Entdeckung, dass Treppenaufgänge über dem Portal in der Westwand existierten, die schmal und steil an beiden Seiten des Portals über einem Stützbogen zweiläufig nach oben führten und neben den westlichen Triforien unmittelbar an der Westwand durch schmale rechteckige Mauerdurchbrüche in die Westempore mündeten. Es gilt als sicher, dass diese Treppenaufgänge vor dem oder im 16. Jahrhundert errichtet worden sind, weil man Reste von Bemalung und Beschriftung in der Portallaibung fand, die vom Landeskonservator dem 16. Jahrhundert zugeordnet wurden. De Vries möchte die Malereien, vor allem die im nördlichen Seitenschiff, zeitlich früher einordnen, nämlich in die Zeit des Umbaus (1474) - hierbei wurde wahrscheinlich die gesamte Kirche renoviert und dem Zeitgeschmack angepaßt - worauf auch die schlichte Ausführung der typisch gotischen Rankenform deutet. 1846 sind die Treppenaufgänge zugemauert und mit Bauschutt gefüllt worden (s.o.).

Durch diese letzten Restaurierungsmaßnahmen ist es geglückt, dem Innenraum weitgehend sein früheres Gesicht und damit seine ursprüngliche Ausstrahlung wiederzugeben, in der sich rheinischer Überschwang mit westfälischer, ruhiger Gelassenheit paart.

Der vorerst letzte Abschnitt der Renovierung wurde im Jahre 2003 vollendet. Der Schwerpunkt der Renovierungsarbeiten lag in der Neugestaltung des Kircheninnenraumes.

Die Kirche erhielt einen komplett neuen Innenanstrich. Die etwas kühleren Grautöne der Wandbemalung wurden ersetzt durch eine wärmere und besser zu den Natursteinen passende Farbgestaltung.

Die so genannten Prinzipalstücke Kanzel, Taufstein und Altar wurden neu platziert und haben in harmonischer Anordnung einen zentralen Platz auf dem Altarpodest gefunden.

An einem Rundbogen des nördlichen Seitenschiffes wurden Fragmente alter Malereien gefunden. Diese wurden aufgearbeitet und so den Besuchern wieder zugänglich gemacht. Der Vergleich mit diesen alten Malereien bestätigt die gelungene Komposition der neuen Innenraumgestaltung.

Auch die technischen Installationen wurden umfangreich erneuert. Die Beleuchtungs- und Beschallungsanlage wurden vollständig ersetzt. Hervorzuheben sind die Beleuchtungskörper, die speziell für die Jesus-Christus-Kirche konstruiert und gebaut wurden. Sie erinnern symbolhaft an ein Kreuz als das Zeichen des christlichen Glaubens.

(Ergänzung und Aktualisierung des Textes aus: „Die Rheinische Emporenbasilika in Meinerzhagen, Westfälische Kunststätten, Heft 46, 1986“ durch Matthias Scholand)